Weisheit - Allgemeine Bedeutung

"Weisheit" ist gelebtes Wissen. Ein weiser Mensch ist Sieger über das Leben.
Die Gelehrten und viele Menschen des vergangenen Jahrhunderts und der letzten Jahrzehnte hatten wohl sehr viel Wissen, aber sie waren nicht mit Weisheit gesegnet.
Dieser Zustand forderte die Autodidakten philosophischer Richtung auf den Plan, weil der geistig erwachende Teil der Menschheit ein göttliches Wissen - herzhafte Weisheit suchte. Die Überschätzung einer bloßen Wissens- und Verstandesbildung führte zur Verkümmerung des Gemüts und Charakters, zu einer Geringschätzung der sittlichen Werte.
Doch der Wahre ist ein viel zu innerlicher Mensch, ein Mensch mit Herz, als dass er sich von spezialisierten Äußerlichkeiten einfangen ließe. Darum sucht er nach einer Lebensanschauung des Herzens, weil er fühlt: "Weise sein heißt Herzensbildung haben, denn die Kenntnis des Herzens ist die Weisheit Gottes".
Erst wenn das Licht des Verstandes sich mit der Sonnenwärme des Herzens verbindet und vermählt, haben wir die Weisheit Gottes erfasst. Charakter haben, ein Herz haben ist wertvoller als Wissen besitzen. Alles im Leben muss vom Herzen des Menschen überstrahlt werden, weil das Herz das zutiefst Göttliche im Menschen ist.
All die Jahrhunderte vor unserer Zeit hatte man die Kultur des Geistes und die Kultur eines herzhaften Heldentums zersetzt. Heute muss man diese Kultur des Geistes und Heldentums erst wieder miteinander verbinden zu einer Herzensbildung und Herzenskultur.
Anstelle der zersetzenden Kritik muss eine schöpferische Kritik treten, denn eine schöpferische Kritik ist mit der philosophischen Gesamtwissenschaft zu vergleichen, weil sie Menschenkenntnis und Weisheit entwickelt, die die Einheit des Denkens (des Geistes) und Empfindens (des Herzens) aufweist.
Diese Einheit des Denkens und Empfindens nenne ich erst Lebensphilosophie, nenne ich organische Weisheit. Eine solche Weisheit will tief und volkstümlich zugleich sein. Sie will dem tatkräftigen Menschen und Charakter wieder Gesetze des Lebens geben, die ihn lehren, das Leben frei, beherrscht und vernunftgemäß einzurichten. Sie richtet den Blick wieder aufs Ganze, auf das, was Himmel und Erde, Gott und den Menschen, tote und belebte Natur in gleichem Maße umfasst.
Der Mensch soll sich seinen Alltag selbst überstrahlen, mit Sonne erfüllen, verklären.
Manche Menschen und es sind nicht die wenigsten, sind aber doch recht eigensinnig und gelangen daher nie zur Weisheit des Herzens, sie sind - deutlicher gesagt - dumm. Es ist ein klarer Beweis für die Dummheit eines Menschen, wenn er sich für klüger hält als die übrige Menschheit.
Man muss aber nicht immer klüger sein wollen, man muss nicht immer recht haben und behalten wollen, denn es ist oft besser, man lässt sich belehren. Wenn solche Menschen dann auch noch sagen, dass ihnen alle anderen Luft seien, so sollten sie bedenken, dass man doch ohne Luft nicht leben kann.
Wer sich so von anderen abschließt, dem schaut gewöhnlich nur der Neid aus den Augen. Neid aber verzerrt alles. Neid ist Dummheit, eine Erbsünde, die viele Menschen mit sich herumschleppen. Dumm sind die Mucker und Nörgler, und diese waren doch schon immer die gefährlichsten der Welt. Man erkennt sie an Ihren zitronensauren und gallenkrankgelben Gesichtern.
Es lässt sich sehr leicht eine Philosophie vorstellen, welche die Dinge des täglichen Lebens von innen heraus durch die Macht der Gedanken und des Wortes verklärt. Dies wäre eine Philosophie der Alltäglichkeit, der Natürlichkeit, des Herzens.
Denken wir doch nur an die volkstümlichen Sprichwörter, die vom Volk, vom unverbildeten und unspezialisierten Volk gebildet wurden und die die tiefsten Weisheiten enthalten. Ein Beispiel: Selbsterkenntnis und Einsicht ist der erste Weg zur Besserung. Was liegt hier für eine tiefe Weisheit drin!
Erstens bezieht sich dieses volkstümliche Wort auf den ältesten Weisheitsspruch, den wir kennen und der da heißt: Erkenne dich selbst! Erkenne nicht andere, sondern dich selbst, denn, hast du dich selbst erkannt, hast du bereits den ersten Schritt zur weiteren Vervollkommnung deines Selbst getan.
Wann aber wenden wir dieses Sprichwort an? Doch dann, wenn wir bei einem Menschen beobachten können, dass er irgendetwas eingesehen hat, was er bisher nicht erkannte. Wir wenden es an, wenn ein Mensch sich in irgendeiner Hinsicht eben selbst erkannte. Dann sagen wir mit Recht: Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung.
Diese einfache, natürliche, volkstümliche und organische, weil lebenswahre Philosophie ist die, die wir uns vorstellen können. Auf die Echtheit der Gesinnung, auf die Treue gegen sich selbst und auf die Wahrheitsliebe muss unser Leben eingestellt sein, wenn es weise und klug sein soll.
Für die Wahrheit muss man sich das Herz aus dem Leibe reißen können. Solcher Geist ist auch dann von Sittlichkeit nicht zu trennen. So werden wir nach Adel und Güte bei jeder Handlung streben, nach Geradheit, Offenheit und Großherzigkeit der Gesinnung.
Man mag solcher Offenheit auch oft vorwerfen, wir verschleierten damit unser eigentliches Empfinden - manche halten tatsächlich fast immer Offenheit für einen Schleier -, so können wir mit Ruhe sagen, diese Offenheit muss der Seele idealstes Wesen sein.
Weise ist es auch, wenn wir nicht suchend, sondern prüfend an einen Menschen herangehen, um ihn erkennen zu wollen, denn es gibt doch Menschen, deren wirklichen Wert man erst später erkennt. Nicht in einen Menschen etwas hineinlegen wollen oder in ihm etwas suchen, sondern ihn in Ruhe prüfen.
Wie aber ist solche Weisheit zu verwirklichen?
Wir brauchen also Persönlichkeit. Persönlichkeit ist die Vorbedingung jeder Kultur und Bildung. Denn Puppen und Schatten, Träumer und Blender können Gott und die göttliche Weisheit nicht verehren. Dazu muss man ein Herz in der Brust haben, aber ein starkes Herz.
Werdet wie die Kinder. Das Angesicht eines Kindes ist doch die höchste Verkörperung der Weisheit. Wie spiegelt doch solch ein Angesicht die Reinheit wieder. Rein sein ist aber alles.
So ist auch Bescheidenheit eine der guten Eigenschaften eines Kindes. Es kommt dann noch Offenheit hinzu. Diese Eigenschaften gehören alle zu den ersten Grundlagen einer Persönlichkeit. Offenes Auge, offene Sprache, offene Hand.
Solche Menschen haben immer das Herz auf dem rechten Fleck und Herzenswärme ist immer die beste Kraftquelle. "Weise sein heißt Herzensbildung haben, denn die Kenntnis des Herzens ist die Weisheit Gottes."

 


 

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